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Dokumente zur Umwelt-Bibliothek

 

DOKUMENT 6

Sommer 2011

Erklärung der telegraph-Redaktion

Die gute Idee eines offenen Treffens ehemaliger Mitarbeiter der UB und der Vorsatz, dort das Schicksal damals gemeinsam gegen das SED-Regime vertretener Zielvorstellungen im heutigen Deutschland zu diskutieren, ist zum Kampffeld um den Kreis der von einem solchen Treffen auszugrenzenden Personen geworden.

Nach der schließlich herbeigeführten vernünftigen Entscheidung des Vorbereitungskreises, dass jeder interessierte ehemalige Mitarbeiter sowohl an der weiteren Vorbereitung des Treffens, als auch am Treffen selbst teilnehmen kann, hat Christian Halbrock seine Distanzierung von diesem Unternehmen und sein Ausscheiden aus der Vorbereitung der geplanten Veranstaltung erklärt. Dies hat er damit begründet, dass über den damals existierenden Grundkonsens hinaus heute kaum mehr feststellbar sei, wofür dieser Kreis zukünftig gemeinsam stehen könnte.

Damit könnte er Recht haben. Soweit es Christian Halbrock betrifft, so spricht er sich gegen die Teilnahme von ehemaligen UB-Mitarbeitern aus, die er als „Krawallmacher“, „erklärte Gegner der demokratischen Ordnung“, und „selbstgefällige Schreihals-Salon-Bolschewisten“ bezeichnet. Dieser Ton ist uns geläufig. Jene „totalitären Roten“ (so seine Formulierung) hat Christian in Gestalt der heutigen Herausgeber des „telegraph“ als Nachfolgezeitschrift der alten „Umweltblätter“ ermittelt.

Seine Deduktion für die von ihm formulierte Abgrenzung: Unter Berufung auf seinen von den Nazis verfolgten Großvater, der nach Kriegsende ebenfalls von den SED-Bonzen (Christian: den „totalitären Roten“) diffamiert und drangsaliert wurde, sieht er sich in der Pflicht, keine „gemeinsame politische Sache“ mit den „totalitären Roten“ der „telegraph-Runde Typ II“ zu machen. Unter ihnen aber sind Leute zu finden, die sich 1988/89 besonders durch ihre Anklagen gegen das SED-Regime wegen dessen Verharmlosung neonazistischer Tendenzen in der DDR hervortaten.

Zuvor hatte Christian seine Zuschreibung „Die Roten“ schon auf die Stasis bezogen, welche im November 1987 die UB überfielen. Und so hat der vergleichende Historiker Christian Halbrock den Zirkel geschlossen: Stasi und „telegraph“ konvergieren im „Fall Rot“. Die hässliche Unstetigkeitsstelle, dass unter den damaligen Zielpersonen des MfS auch von ihm geschmähte „Rote“ der UB, ihres Umfelds und des späteren „telegraph“ waren, kann ihn nicht beirren. Vermutlich denkt er: „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“.

Und auch der letzte Beweis ist schnell erbracht: 1998 soll der "telegraph" mit billigender Inkaufnahme der damaligen Redaktion durch einen hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter unterwandert worden sein, wie Christian mitzuteilen weiß. Andrej Holms Veröffentlichungen als Soziologe und im „telegraph“ hin oder her – rot bleibt eben rot. Damit ist die Projektion vollendet: Stasi – rot – „telegraph“ – totalitär. Es liegt nahe, zu vermuten, dass einer ähnlich subtilen Logik auch die Bundesanwaltschaft folgte, als Holm wegen Terrorismusverdachts in U-Haft genommen wurde.

Doch Christian hat auch Erfreuliches mitzuteilen: Die McCarthy-Methode findet er unappetitlich. Wer war doch gleich McCarthy und worauf war der aus? Egal – die eingangs erwähnte Debatte über das Schicksal der alten UB-Ziele kann er sich in der vorgeschlagenen Form nur als „linke/rote McCarthy-Soft Variante“ vorstellen. Endlich ist die Sache komplett: Stasi-rot-links-totalitär. Und der telegraph mittendrin. Wer von der UB-Gemeinde nebst KvU jetzt nicht den Kopf einzieht, hat Christians Botschaft immer noch nicht begriffen. Und das Gros der staunenden ehemaligen UB-Mitarbeiter zieht offensichtlich unter dem Eindruck des martialischen Tons den Kopf tatsächlich ein. Doch Kopf hoch – Christian ist nicht um guten Rat verlegen: Heute geht es darum, „zu vermitteln, dass es wichtig ist, sich zu engagieren, die Demokratie und die Bundesrepublik Deutschland mitzugestalten und für die Würde und das Recht des Andersdenkenden einzutreten“.

Übrigens: Auch Wolfgang Rüddenklau hat sich seinerseits mehrfach von „den Linken“, die ihm „schwer im Magen liegen“ und „ein zu heterogener Haufen [sind], um sie zu verteidigen“, distanziert. Das hat ihm nichts genützt. Christians bizarre Kontaktschuld-Konstruktionen belasten offenbar jeden, der sich jemals in die Nähe solcher Elemente begeben hat, so dass nun auch Wolfgang im Gespann mit „seinen roten Freunden“ (so C. H.) zum Kreis ziemlich verdächtiger Gestalten gehört. Ebenso rückt Molti mit seinen staatsskeptischen Provokationen in Christians Koordinatensystem mindestens als Sympathisant scheinbar auch immer näher an diesen feindlich-negativen Personenzusammenschluss heran. Und eine Begegnung verschiedener politischer Strömungen ist aus Christians Sicht an ein vorher abzulegendes Bekenntnis im Sinne der Invarianten seiner Weltsicht gebunden. Sonst wird das nix. Wieso kommt uns das alles ziemlich bekannt vor?

Wir zählen darauf, dass der UB-Kreis sich nicht durch solche Ausgrenzungsmanöver verunsichern oder einschüchtern lässt. Diese Zuversicht gilt auch unseren Freunden von der KvU, von denen wir hoffen, dass sie bald ihre Fassung wiedererlangen angesichts ihrer von Christian vorgenommenen originellen historischen Neuverortung als politikabstinente amtskirchenfixierte Religionsreformer. Nehmen wir uns die Freiheit, unsere unterschiedlichen Sichtweisen und politischen Einschätzungen gleichberechtigt miteinander auszutauschen. Jeder hat das Recht, sich von für ihn unannehmbaren Positionen abzugrenzen – niemand hat das Recht, andere wegen ihrer abweichenden Auffassungen auszugrenzen oder zu diffamieren.“

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